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Ausstellung in Oberursel

Taunus Zeitung:

Kunst in der Ruine – süß und bissig

VON Zum „Innehalten“ fordert die neue Kunstgruppe „roter schwan“ die Besucher in der Ruine der Johanniskirche auf. Wer die außergewöhnliche Schau sehen möchte, muss sich aber beeilen.

Weißkirchen. 

Die schlichten Gläser, die auf dem Boden vor dem Altar stehen, sind mit allerlei kuriosen Dingen gefüllt: mit Steinen, die gold bemalt sind, mit alten Uhren und benutzten Teebeuteln, die mit lustigen Gesichtern bemalt sind. Sie stehen für Momente zum Innehalten.

„Die Steine beispielsweise symbolisieren die goldenen Momente im Leben. Die Teebeutel stehen für eine kurze Alltagsflucht, ,Abwarten und Teetrinken‘“, erläutert Katja Bergmann-Sternkopf. Die Einmachgläser sind nur ein kleiner Ausschnitt einer umfangreichen Ausstellung, deren gemeinsamer Nenner das Thema „Innehalten“ ist.

Entstanden sind für die originelle Premiere des Künstlerinnen-Trios „roter schwan“ Fahnen, Kissen, Fotografie, Malerei, Objektkunst, kleine Skulpturen und Installationen. Die Kunstschau mit dem philosophischen Etwas ist die erste Aktion der Gruppe. Birgit Reinecke, Karen Klingner und Katja Bergmann-Sternkopf kennen sich schon seit vielen Jahren und haben bereits als „gruppe4“ ausgestellt und Aktionen gemacht. Jetzt ist Magnus Hornung, der Vierte im Bunde, nicht mehr dabei.

„Deshalb haben wir uns eine neuen Namen suchen müssen“, erklärt Reinecke. Die Wahl fiel nach stundenlangen Diskussionen auf „der rote Schwan“. „Rot ist die weibliche Farbe“, erläutert Katja Bergmann-Sternkopf. „Und ein Schwan ist nicht nur süß, sondern kann auch bissig sein“, ergänzt Birgit Reinecke.

Passend zum kontemplativen Thema der Schau ist auch die Ruine der Kirche als Ort. „Da das Ambiente nach etwas in großen Dimensionen verlangt hat, hat jede von uns eine große Fahne bemalt“, erläutert Bergman-Sternkopf. Ihre Fahne ist in den für sie typischen knalligen Farben mit einer großen gelben Blüte als „Ruhepunkt“ gehalten. Alles überdenken, sich verkriechen und alles verlangsamen, die Seele baumeln lassen – das ist die Botschaft ihres Banners. Auch ihre fantasievollen und ebenfalls knallbunten, runden Skulpturen – Frauenfiguren und auch Tiere, wie den „Tanzenden Gecko“ – steuert sie zur Kunstschau bei. Eine ihrer Figuren, die sie aus Gasbeton fertigt, ist eine Hommage an Else Hartling. „Das war die Wirtin der ,Linde‘ in Weißkirchen. Bei ihr konnte man die Seele baumeln lassen. Sie war die Ruhe selbst“, berichtet Bergmann-Sternkopf.

Brigit Reinecke ist eine Sachensucherin. Aus kuriosen Fundstücken wie Hörnern, Algen, Tierknochen, verwittertem Holz, Schneckenhäusern oder Vogelnestern gestaltet sie ihre Arbeiten. Das i-Tüpfelchen auf jeder ihrer Skulpturen sind kleine vergoldete Details. „Mir geht es in meinen Skulpturen darum, das Schöne und Vergängliche darzustellen“, sagt Reinecke. Keine leichte Kost ist ihre Bilderserie zum Thema Krieg. „Dazu haben mich Fotos inspiriert, die ich im Bad Homburger Stadtarchiv einsehen durfte“, erzählt sie. „Die Aufnahmen stammen vom 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation, und zeigen die Ruinen in der Homburger Innenstadt.“

In Karen Klingners Werken wiederum geht es auch um Fabelwesen. Im Gras liegen, in den Himmel schauen und träumen – „da kann ich innehalten und wieder Kind werden. Dann ist der Himmel das Meer, und die Wolken sind die Fische“, erzählt sie. Umgesetzt hat sie diesen Gedanken auf ihrer Fahne: Ein Himmelsszenario mit bunten Fischen. Fabelhafte Tiere, wie Flug- und Rollschnecken, aber auch echte Vertreter aus dem Reich der Fauna wie das Faultier und skurrile Fantasiewesen mit Kopfhörern, bevölkern ihre Bilder und die Skulpturen, an die sich Karen Klingner übrigens zum ersten Mal gewagt hat. Zum Innehalten inspirieren auch ihre Steine, die sie bei Wanderungen durch den Taunus gefunden hat. „Darauf habe ich Gedankenblitze geschrieben, die für mich mit dem Thema Innehalten zu tun haben“, so Klingner.

 

Die Ausstellung ist noch heute, morgen und am Donnerstag in der Johanniskirche (Urselbachstraße) zu sehen, geöffnet jeweils von 14 bis 18 Uhr.